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Die Sachverständigenablehnung im Arzthaftungsprozess

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Dr. Thomas K. Heinz / Frankfurt

Einleitung

Auseinandersetzungen zwischen Patienten und Ärzten wegen möglicher Behandlungsfehler und damit der Bedarf an medizinischen Gutachten nehmen seit Jahren zu. Mittlerweile werden kaum noch Arzthaftungsprozesse oder sozialgerichtliches Verfahren ohne Sachverständigengutachten entschieden. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die Verfahrensbeteiligten der „schwarzen Zunft“ in medizinischen Fragen regelmäßig Laien und als solche auf die Sachverhaltsklärung durch Fachgutachten der „weißen Zunft“ angewiesen sind. Aus diesem Grund kommt dem Sachverständigen im Haftungsprozess eine Stellung zu, die verfahrensentscheidend ist. Hier können und müssen die Prozessvertreter bei Unklarheiten und Ungereimtheiten eingreifen, sei es durch Befragen des Sachverständigen im Termin, sei es durch Einholung ergänzender schriftlicher Stellungnahme(n) zum Gutachten. Die letzte Maßnahme, die den Prozessparteien bleibt, um eine gewisse „Objektivität“ für die eigene Partei zu wahren, ist die Ablehnung des Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit.

(1)  Grundsätze der Befangenheit

Die Ablehnungsgründe sind - mit Ausnahme von § 41 Nr. 5 ZPO - die gleichen wie bei der Richterablehnung, also die Ausschließungsgründe wegen persönlicher Beziehungen zu einer Partei (§ 41 ZPO) und die Besorgnis der Befangenheit (§ 42 ZPO). Die Pflichten des Sachverständigen werden insbesondere durch die Bestimmung des § 407a ZPO normiert. Danach hat er unverzüglich zu prüfen, ob der Auftrag in sein Fachgebiet fällt und ohne die Hinzuziehung weiterer Sachverständiger erledigt werden kann. Der Sachverständige ist nicht befugt, den Auftrag auf einen anderen zu übertragen. Soweit es sich der Mitarbeit einer anderen Person bedient, hat er dies namhaft zu machen und den Umfang ihrer Tätigkeit anzugeben, falls es sich nicht um Hilfsdienste von untergeordneter Bedeutung handelt. Hat der Gutachter Zweifel an Inhalt und Umfang des Auftrags, so hat er unverzüglich eine Klärung durch das Gericht herbeizuführen.

Ein Gerichtssachverständiger muss sich, ebenso wie ein Richter, auch außerhalb seiner gerichtlichen Tätigkeit der besonderen Pflicht, neutral und unabhängig tätig zu sein, stets bewusst sein . Er muss äußerste Zurückhaltung üben und jeden Anschein einer allgemeinen Voreingenommenheit oder Festlegung vermeiden.  Soweit es um seine Pflicht zur Objektivität und Neutralität gegenüber den Verfahrensbeteiligten geht, muss er sich grundsätzlich an den gleichen Maßstäben messen lassen, wie sie für Richter gelten.  Ebenso wie diese muss der Sachverständige als deren Helfer alles vermeiden, was ein auch nur subjektives Misstrauen einer Partei in seine Unabhängigkeit rechtfertigen könnte.

Für die Ablehnung wegen Befangenheit kommt es bekanntlich nicht darauf an, ob der Sachverständige parteiisch ist oder sich selbst für befangen hält, oder ob das Gericht Zweifel an seiner Unparteilichkeit hat. Vielmehr genügt bereits der bei der ablehnenden Partei erweckte Anschein der Parteilichkeit, wenn von deren Standpunkt aus genügend objektive Gründe vorliegen, die in den Augen einer verständigen Partei aus der Warte des Ablehnenden geeignet sind, Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu wecken.  D19.09.15ies ist stark von den Gegebenheiten des Einzelfalls abhängig.  Bereits der durch Formulierungen im Gutachten verursachte Anschein von Parteilichkeit macht das Gutachten unbrauchbar, auch wenn es ohne sachliche Mängel ist. Es kommt nur darauf an, dass der Sachverständige grob fahrlässig den zur Ablehnung führenden Anschein der Voreingenommenheit geweckt hat. 

Die Verhandlung zur Sache oder über das Beweisergebnis hat den Verlust des Ablehnungsrechts wegen bis dahin bekannter Gründe zur Folge. Der Einwand der Partei, sie sei in der mündlichen Verhandlung persönlich nicht anwesend gewesen, rechtfertigt keine anderslautende Entscheidung. Denn die Kenntnis des anwesenden Prozessbevollmächtigten von den Befangenheitsgründen wirkt gegen die Partei. 

Die Qualität der Gerichtsgutachten ist uneinheitlich. So werden in Gutachten teilweise Beweisthemen nicht vollständig abgearbeitet, dafür aber zahlreiche überflüssige Ausführungen gemacht; seitenlange Gutachten behandeln das eigentliche Problem nur zu einem Bruchteil. Dies reicht oft nicht aus, um den Sachverhalt  durch das Gericht ausreichend analysieren zu können. Um es vorweg zu nehmen: Inhaltliche und qualitative Mängel eines Gutachtens sowie Zweifel an seiner Verwertbarkeit und an der Kompetenz des Sachverständigen allein begründen keine Besorgnis der Befangenheit.  Hinzukommen muss ein Zweifel an der Unparteilichkeit des Gutachters: Die im Beweisbeschluss vorgegebene Aufgabenstellung wird eigenmächtig überschritten, rechtliches Gehör einer Prozesspartei bei der Sachverhaltsfeststellung wird verletzt, und bei mündlicher Anhörung des Sachverständigen fallen gelegentlich unsachliche und sogar beleidigende Äußerungen. Rechtsprechung und Literatur haben vier „Ablehnungs-Komplexe“ herausgebildet: So dürfen keine (1) Ablehnungsgründe in der Person des Sachverständigen vorliegen. Dieser darf weiter seine (2) Aufgabenstellung nicht überschreiten, muss seine (3) Sachverhaltsermittlung unparteiisch durchführen und darf sich nicht zu (4) unsachlichen Äußerungen hinreißen lassen, will er nicht riskieren, durch eine der Prozessparteien als befangen abgelehnt zu werden. Die Rechtsprechung zu den Fallgruppen ist nicht ganz einheitlich. Im Einzelnen:

(1.1) Ablehnungsgründe in der Person des Sachverständigen

Ablehnungsgründe können schon in der Person des Sachverständigen begründet sein. Eine Parteilichkeit des Sachverständigen wird regelmäßig dann angenommen, wenn dieser bereits ein Privatgutachten für eine der Prozessparteien erstattet hat.  Denn erfahrungsgemäß kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Gutachter dazu neigt, die Erwartungen seines Auftraggebers zu bestätigen. Auch eine verständige Partei kann deshalb befürchten, dass der Gutachter bei der Erstellung des gerichtlichen Gutachtens hiervon beeinflusst wird.  Die Vorbefassung eines Sachverständigen im Gutachter- und Schlichtungsverfahren stellt für sich gesehen hingegen kein Ablehnungsgrund dar. Die Besorgnis, der Gutachter werde von seinen bisherigen Feststellungen nicht mehr abweichen, lässt sich nicht objektivieren, weil der Sachverhalt im Rechtsstreit umfassend aufgeklärt werden kann und weil es den Prozessparteien unbenommen bleibt, etwaige Einwendungen gegen die Vollständigkeit und Richtigkeit der gutachterlichen Feststellungen vorzubringen. 

Als Ablehnungsgrund ist weiter die Nähe zu einer Partei anerkannt, beispielsweise aufgrund intensiver Geschäftsbeziehungen oder wirtschaftlicher Verbindung.  Zwar begründet z.B. die bloße Teilnahme an einschlägigen Seminaren und Symposien für sich allein noch keine Befangenheit, gibt der abgelehnte Sachverständige aber zusammen mit dem Handlungsbevollmächtigten einer Prozesspartei eine einschlägige Fachpublikation heraus, in der auch Fachbeiträge zweier Rechtsanwälte der Kanzlei der Beklagtenvertreter enthalten sind, ist damit aus der Sicht der ablehnenden Partei eine hinreichende Distanz und Neutralität des Sachverständigen nicht gegeben.  Eine Nähe, die eine Besorgnis der Befangenheit rechtfertigt, kann auch darin liegen, dass der Sachverständige zur Zeit der Erbringung eines Teils seiner gutachterlichen Leistungen in einer Klinik derselben Unternehmensgruppe abhängig beschäftigt gewesen ist, zu der auch die Streitverkündete zu 1) gehört und bei der auch die Streitverkündeten zu 2) und 3), abhängig beschäftigt sind, welche sämtlich dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beigetreten sind.  Keine intensive Geschäftsbeziehung liegt vor, wenn der Gutachter mit einem Auftragsvolumen von 1608 Aufträgen im Vorjahr von dem beklagten Haftpflichtversicherer 12 Aufträge erhalten hat.  Auch beruflich bedingte Kontakte des Sachverständigen mit einem für eine Prozesspartei tätigen Berufskollegen können die Ablehnung begründen.  Um eine solche Besorgnis rechtfertigen zu können, müssen - so derselbe Senat - darüber hinausgehende persönliche oder enge fachliche Beziehungen des Sachverständigen zu einem Berufskollegen bestehen. Selbst eine persönliche oder enge fachliche Beziehung des Sachverständigen zum Leiter einer Fachabteilung eines beklagten Klinikums vermag grundsätzlich keine Zweifel an dessen Unparteilichkeit zu begründen, wenn der Leiter erst mehrere Jahre (hier: über 6 Jahre) nach der streitgegenständlichen ärztlichen Behandlung in seine Funktion gelangt und damit selbst im laufenden Rechtsstreit in keiner Weise dem Vorwurf eines Behandlungsfehlers ausgesetzt ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn die zu begutachtende Behandlung in einer anderen Fachabteilung des Klinikums stattgefunden hat.  Anmerkungen auf der Homepage des Sachverständigen, auf der er ausdrücklich und mehrfach seine Patientennähe hervorhebt, sind geeignet, Zweifel an seiner Unvoreingenommenheit zu dokumentieren.  Ein Link auf der Homepage des Sachverständigen zur Homepage eines verfahrensbeteiligten Rechtsanwalts begründet ebenfalls die Besorgnis der Befangenheit. 

(1.2)  Überschreiten der Aufgabenstellung

Der Sachverständige hat das Vorbringen einer Partei mit der gebotenen Sachlichkeit zu erörtern. Es steht ihm nicht an, das Parteiverhalten über den sachlich gebotenen Gegenstand der Begutachtung hinaus zu würdigen.  Überschreitet er eigenmächtig seinen Gutachterauftrag, indem er Beweisfragen überdehnt oder ihm nicht gestellte Fragen eigenmächtig bearbeitet, ist sein Gutachten insoweit unzulänglich; er bewegt sich außerhalb seines Auftrags. Diese Überschreitung begründet allein nicht die Besorgnis der Befangenheit, sondern nur bei weiteren Umständen, die eine Partei in besonderer Weise benachteiligen, z.B., wenn der Sachverständige mit der überschießenden Begutachtung neue Mängel aufdeckt und damit das Geschäft einer der Parteien des Rechtsstreits betreibt, oder er die Überschreitung seines Gutachterauftrags vorgenommen hat in der Absicht, einseitig eine der Parteien zu belasten.  Die Besorgnis der Befangenheit ist weiter begründet, wenn - ein relativ häufig vorkommender Fall - der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten das Gericht darauf hinweist, dass Zweifel an einer ordnungsgemäßen Aufklärung bestehen, ohne dass dies Gegenstand des Gutachtenauftrags war,  oder ungefragt selbst einen tatsächlichen Verstoß gegen die Aufklärungspflicht feststellt.  Macht ein Sachverständiger, der mit der Klärung der Frage, ob bei der Behandlung in nicht vertretbarer Weise vom fachärztlichen Standard abgewichen wurde, beauftragt wird, ungefragt Ausführungen zu der Frage einer korrekten ärztlichen Aufklärung, so mag dies eine Überschreitung des Gutachtenauftrages darstellen, soll aber nicht zu einer Besorgnis der Befangenheit führen.  Eine Besorgnis wird weiter angenommen, wenn der Sachverständige in seinem Gutachten anregt, zur Frage der ausreichenden (mündlichen) Aufklärung eines klagenden Patienten den beklagten Arzt und seine Sprechstundenhilfe zu befragen. 

Sofern im Arzthaftungsprozess die Klage sowohl auf einen Behandlungsfehler, als auch auf die Verletzung einer Aufklärungspflicht gestützt wird, kann die Besorgnis der Befangenheit nicht daraus hergeleitet werden, dass der Gutachter sich zur Wirksamkeit einer Aufklärung äußert, obwohl der zugrunde liegende Beweisbeschluss sich allein auf den Behandlungsfehler bezieht. Im Einzelfall kann der Sachverständige sogar gehalten sein, das Gericht von sich aus darauf hinzuweisen, dass dessen Auffassung zur Frage der Aufklärung aus medizinischer Sicht Bedenken begegnet.  Andererseits ist es geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen, wenn der medizinische Sachverständige das Gericht darauf hinweist, dass aus den übermittelten Behandlungsunterlagen nicht hervorgeht, inwieweit und in welcher Form eine Aufklärung und Einverständniserklärung des Patienten stattgefunden hat, ohne dass dies Gegenstand des Gutachtenauftrags war.  Von einer Befangenheit ist auszugehen, wenn der Gutachter bei Erstellung seines Gutachtens eigenmächtig über die im Beweisbeschluss und Gutachterauftrag gezogenen Grenzen hinausgeht, ohne zuvor gegenüber dem Gericht eine Ergänzung oder Änderung des Beweisbeschlusses angeregt zu haben, oder den Prozessbeteiligten ohne entsprechenden Auftrag den von ihm für richtig gehaltenen Weg weist und so in unzulässiger Weise dem Gericht vorbehaltene Aufgaben wahrnimmt. 

(1.3)  Art und Weise der Sachverhaltsermittlung

Der Sachverständige muss auch bei der Ermittlung des Sachvershalts Neutralität wahren. Das Unterlassen der Benachrichtigung beider Parteien von einer Ortsbesichtigung rechtfertigt nicht seine Ablehnung, weil die Parteien insoweit nicht unterschiedlich behandelt werden und damit allein ein einseitiges Vorgehen zu Lasten einer der Parteien nicht verbunden ist.  Die Kontaktaufnahme des Sachverständigen mit den Parteien bzw. ihren Vertretern zur Termins- bzw. allgemeinen Verfahrensabsprache ist ebenfalls unbedenklich und begründet mangels konkreter Anhaltspunkte dafür, dass gezielt Informationen außerhalb der Verhandlung eingezogen oder Geheimgespräche geführt wurden, nicht den Anschein einer Parteilichkeit.

Es rechtfertigt hingegen die Besorgnis der Befangenheit, wenn der Sachverständige in der Wohnung einer Partei oder in seiner Arztpraxis einen Ortstermin durchführt, ohne die andere Partei bzw. deren Prozessbevollmächtigten davon zu unterrichten.  Allein dieser Umstand reicht anderer Ansicht nach  nicht; Befangenheit ist nur dann anzunehmen, wenn das Verhalten des Sachverständigen zudem auf die Intention schließen lässt, die andere Partei - etwa durch bewusstes Absehen von einer Terminmitteilung - zu benachteiligen. Die Besorgnis besteht hingegen dann nicht, wenn der Arzttermin in öffentlich zugänglichen Räumlichkeiten einer Partei den Parteien und ihren Verfahrensbevollmächtigten nicht bekannt gibt und es auch sonst insoweit nicht zu einer Kontaktaufnahme während des Termins gekommen ist.  Ein Sachverständiger, der einen Ortstermin durchführt, obwohl die Gegenpartei den Zutritt zum Terminort verweigert, kann mit Erfolg abgelehnt werden. 
Eine Besorgnis der Befangenheit im selbstständigen Beweisverfahren wegen Beteiligung des Praxismitinhabers des Antragsgegners an der Untersuchung des Antragstellers ist begründet, wenn der Gutachter bei der Untersuchung des Patienten ohne dessen wirksame Einwilligung die Anwesenheit des in die Behandlung eingebundenen Praxismitinhabers des Antragsgegners gestattet, sich während des Untersuchungstermins mit dem Arzt über den Fall austauscht und Feststellungen trifft, die der Patient nach Aktenlage mit einer einseitigen Information durch die Gegenseite in Zusammenhang bringen kann.  Hat die Sachverständige von dem Bevollmächtigten einer Partei übergebene Unterlagen (Schriftverkehr, Arztberichte, Laborbefunde) verwertet und zum Gegenstand seines Gutachtens gemacht, ohne dies dem Gericht und der gegnerischen Partei unverzüglich vorab zu offenbaren und damit letzterer die Möglichkeit genommen, vor Abschluss des Gutachtens sich mit diesen Unterlagen auseinanderzusetzen und aus ihrer Sicht bestehende Einwände vorzutragen, stellt dies eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der anderen Partei dar und begründet die Ablehnung.  Führt ein Sachverständiger Telefongespräche mit einer Partei, so kann dies gleichfalls die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen, sofern die Gespräche nicht offengelegt werden oder in ihnen der Inhalt des Gutachtens erörtert wird. 

(1.4)  Unsachliche Äußerungen

Äußerungen eines Sachverständigen dürfen nicht den Eindruck erwecken, er sei in der Sache festgelegt und nicht mehr bereit, innerlich frei an die Beurteilung heranzugehen. Ebenso wenig dürfen Äußerungen eines Sachverständigen als Ausdruck einer unsachlichen Grundhaltung gegenüber einer Partei gedeutet werden können. Trifft ein Sachverständiger nach näherer Betrachtung und Auseinandersetzung mit der streitgegenständlichen Materie (hier: einer wissenschaftliche Publikationen) eine kritische Aussage, die sich erheblich von dem wissenschaftlichen Standpunkt der Prozesspartei unterscheidet, so begründet dies nicht ohne weiteres eine Besorgnis der Befangenheit, wenn dies als Teil einer nachprüfbaren Kritik des Sachverständigen anzusehen ist, die in einem engen Zusammenhang mit dem Gutachtenauftrag steht.  Besorgnis der Befangenheit ist zu bejahen, wenn er sich ohne Anlass unsachlich über eine Partei des Verfahrens äußert, die von ihren prozessualen Rechten Gebrauch macht. Dies gilt sogar dann, wenn diese Äußerung in einem anderen Verfahren mit derselben Partei gefallen ist.  Die Ablehnung ist auch begründet, wenn seine Stellungnahme sich nicht auf eine sachliche Auseinandersetzung mit den vorgebrachten Einwendungen beschränkt, sondern sprachliche Entgleisungen gegenüber einer Partei oder ihrem Prozessbevollmächtigten enthält, die einem zur Objektivität und Neutralität - auch in der Ausdrucksweise - verpflichteten Sachverständigen nicht unterlaufen dürfen.  Solche verbalen Entgleisungen sind auch nicht damit zu entschuldigen, dass sich der Sachverständige durch die Fragestellungen der Prozesspartei provoziert gefühlt hat, wenn diese nicht über das hinausgehen, was ein Sachverständiger hinzunehmen hätte.  Ein Gerichtssachverständiger darf sich gegen Angriffe einer Partei im Bezug auf seine Feststellungen grundsätzlich auch in akzentuierter Form verteidigen.  Das darf ihn aber nicht dazu veranlassen, das Gebot der Sachlichkeit zu verlassen und in einer Weise sprachlich zu entgleisen, die von einer vernünftigen Partei nur noch als Ausdruck seiner Voreingenommenheit interpretiert werden kann. Scharfe, unter gewöhnlichen Umständen sogar überzogen formulierte Angriffe des Gutachters gegen die fachlichen Thesen einer Partei und des hinter ihr stehenden Privatgutachters rechtfertigen die Ablehnung des Sachverständigen dann nicht, wenn sie lediglich die Reaktion auf heftige Attacken der Partei darstellen, die ihm ihrerseits mit harschen Worten ("unsinnig", "willkürlich", "unprofessionell“, „ja geradezu hilflos") die Kompetenz auf seinem Fachgebiet abgesprochen hatte, - vorausgesetzt, die Entgegnung des Sachverständigen hält sich trotz aller Schärfe noch in einem angemessenen Rahmen.  Bezeichnet ein Gerichtssachverständiger in seinem Gutachten die Methodik eines ihm vorliegenden Privatgutachtens als „groben Unfug“ oder die darin gemachten Ausführungen als „unsinnig“, so sind diese Äußerungen zwar unnötig scharf und nicht mit der gebotenen Sachlichkeit formuliert; sie stellen aber keine persönlichen Angriffe oder Herabsetzung und dar und sind nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit auszulösen.  Andererseits können verbal-aggressive Reaktionen auf berechtigte Kritik eines Rechtsanwalts die Besorgnis der Befangenheit begründen.  Einzelne Bemerkungen in einem Gutachten wie "irreführend", "Störfaktor", "Spekulation und nachträglich unbewiesene Behauptung", "unrichtige und irreführende Versicherung" begründen ebenfalls die Besorgnis der Befangenheit.  Die Wortwahl "überheblich und ignorant" im Gutachten beinhaltet eine abfällige und abwertende Kritik des Sachverständigen an der Verteidigung der Partei, die verständliche Zweifel an seiner Unparteilichkeit wecken kann.  Die Äußerung eines Sachverständigen gegenüber dem Beklagtenvertreter: "Ihre wiederholte Fragerei geht mir auf die Nerven. Ich kann auch gehen!" gibt Anlass zu der Annahme der Parteilichkeit des Sachverständigen, auch wenn diese Äußerung vom Beklagtenvertreter provoziert wurde.

(2)  Form und Fristen

Der Ablehnungsantrag unterliegt auch im Anwaltsprozess nicht dem Anwaltszwang (§ 78 Abs. 3 ZPO); das Beschwerdeverfahren nach § 569 ZPO fordert hingegen die anwaltliche Vertretung. 

Nach § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist der Ablehnungsantrag grundsätzlich spätestens binnen zwei Wochen nach der Zustellung des Beschlusses über die Ernennung des Sachverständigen zu stellen.

Ergeben sich die Gründe, auf die die Ablehnung des Sachverständigen gestützt wird, aus dessen Gutachten, ist die Frist des § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO maßgebend. Die Ablehnungsgründe sind in diesem Falle nicht binnen einer kalendermäßigen Frist, sondern grundsätzlich unverzüglich (§ 121 Abs. 1 Nr. 1 BGB) nach Kenntnis des Gutachtens geltend zu machen. Das bedeutet, dass der Ablehnungsantrag zwar nicht sofort, wohl aber ohne schuldhaftes Zögern, das heißt innerhalb einer den Umständen des Einzelfalls angepassten Prüfungs- und Überlegungsfrist zu stellen ist.  Zugleich hat der Antragsteller glaubhaft zu machen, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. In einem einfach gelagerten Fall können bereits wenige Tage ausreichend sein, um die das Ablehnungsgesuch stützenden Tatsachen zu erkennen und vorzutragen. Hingegen kann sich die Frist je nach Sachlage verlängern, wenn der Ablehnungsgrund erst nach sorgfältiger Prüfung des Gutachtens zu erkennen ist. 
Die Obergerichte vertreten zur Länge der Frist nach § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO unterschiedliche Auffassungen. Einige Oberlandesgerichte   sind in Übereinstimmung mit Stimmen im Schrifttum  der Meinung, die Zwei-Wochen-Frist nach § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO gelte grundsätzlich auch für § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Sie bilde im Interesse des Prozessgegners die Obergrenze und gelte auch dann, wenn eine längere Frist zur Stellungnahme zu einem Gutachten nach § 411 Abs. 4 ZPO gesetzt worden sei. Durch letztere solle die sachliche Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Gutachtens ermöglicht werden. Eine solche sei für die Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit regelmäßig nicht erforderlich.
Andere  vertreten die Meinung, eine allgemeine Fristbindung sei nicht sachgerecht. Es sei vielmehr ausschließlich auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalles abzustellen und jeweils zu prüfen, welche Zeit im konkreten Fall erforderlich sei, um den Ablehnungsgrund erkennen und unverzüglich geltend machen zu können. Doch entspreche die Frist auch nicht der vom Gericht gemäß § 411 Abs. 4 ZPO gesetzten Frist zur Stellungnahme zum Inhalt des Gutachtens, da die Geltendmachung des Ablehnungsgrundes eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Gutachtens gerade nicht erfordere.
Der BGH , das OLG Düsseldorf  und ein Teil der Literatur  vertreten die Auffassung, dass ein Befangenheitsantrag, der innerhalb der zur Stellungnahme nach § 411 Abs. 4 ZPO gesetzten Frist eingereicht wird, zumindest dann nicht nach § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO verspätet ist, wenn sich die Besorgnis der Befangenheit erst aus einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem schriftlichen Gutachten ergibt. Die am Rechtsstreit beteiligten Parteien müssten sich innerhalb der nach § 411 Abs. 4 ZPO gesetzten Frist abschließend mit dem Inhalt des Gutachtens auseinandersetzen und mitteilen, ob und gegebenenfalls in welchen Punkten Ergänzungsbedarf gesehen wird. Kommt hierbei eine Partei aufgrund der inhaltlichen Prüfung des Gutachtens nicht nur zu dem Ergebnis, dass dieses unrichtig oder ergänzungsbedürftig sei, sondern dass bestimmte Ausführungen des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten auf Voreingenommenheit ihr gegenüber zurück zu führen seien, sei auch diese Besorgnis Ergebnis der inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem schriftlichen Gutachten. Die Länge der Frist, binnen derer die Partei das Ergebnis ihrer Prüfung des Gutachtens in Antragsform anzubringen habe, könne in einem solchen Fall nicht davon abhängig sein, ob lediglich ein Ergänzungsantrag oder auch ein Befangenheitsantrag oder eine Kombination aus beiden Anträgen eingereicht werde. Der Antragsteller könne nicht gezwungen sein, binnen kürzerer Frist eine Vorprüfung des Gutachtens vorzunehmen, nur um feststellen zu können, ob das Gutachten Mängel enthalte, die aus seiner Sicht nicht nur einen Ergänzungsantrag nötig machten, sondern sogar die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigten. Das OLG Düsseldorf  weist darauf hin, dass die Anwendung einer gegenüber der Stellungnahmefrist nach § 411 Abs. 4 ZPO verkürzten Frist zur Einreichung des Befangenheitsantrags auch nicht geboten ist, um zu verhindern, dass Ablehnungsanträge aus prozesstaktischen Gründen zurückgehalten werden. Zum einen ergibt sich die Möglichkeit des Antragstellers, binnen längerer Frist zulässigerweise einen Ablehnungsantrag stellen zu können, ohnehin nur in den Fällen, in denen die Stellungnahmefrist nach § 411 Abs. 4 ZPO länger ist, als die angemessene Frist des § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Zum anderen kann das Gericht prozessleitende Maßnahmen ohnehin erst dann treffen, wenn die Stellungnahmefrist des § 411 Abs. 4 ZPO abgelaufen ist. Deshalb verfängt der Einwand, die Prozessförderungspflicht der Parteien gebiete eine schnellere Geltendmachung des entsprechenden Ablehnungsgrundes nicht.

Die dargestellten Fristen gelten nicht nur für das erste Gutachten, sondern naturgemäß auch für Ergänzungsgutachten, da sich unter Umständen erst aus diesen ein Befangenheitsgrund ergeben kann. 

(3)  Vergütungsanspruch

Wird das Sachverständigengutachten unverwertbar, weil das Gericht ein gegen den Sachverständigen gerichtetes Ablehnungsgesuch gemäß § 406 ZPO für begründet erklärt, entfällt der Entschädigungsanspruch des Sachverständigen nach § 8 Abs. 1 JVEG, wenn die Ablehnungsentscheidung im Hinblick auf eine zumindest grob fahrlässige Pflichtwidrigkeit des Sachverständigen ergeht.  Ein solches Verschulden in Form der groben Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die Umstände, die zur erfolgreichen Ablehnung führen, elementare Grundsätze der Berufsausübung eines Sachverständigen, die er kennen und beachten muss, außer Acht gelassen werden und damit ein gravierenden Regelverstoß vorliegt. Ein solcher Verstoß liegt z.B. vor, wenn der Sachverständige ohne vorherige Offenlegung und Beteiligung der Parteien eine Besprechung mit dem von einer Partei vorprozessual beauftragten Sachverständigen durchführt, um Feststellungen hinsichtlich der ihm unterbreiteten Beweisfrage zu treffen und dessen Feststellungen anschließend in sein Gutachten übernimmt. 

(4)  Verfahrenskosten und Streitwert

Soweit der Befangenheitsantrag Erfolg hat, ergeht keine gesonderte Kostenentscheidung. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens gehören vielmehr zu den Kosten des Rechtsstreits, über  die nach §§ 91 ff ZPO einheitlich zu entscheiden ist. Damit besteht für den Beschwerdeführer das Risiko, bei einem Unterliegen in der Hauptsache trotz seiner erfolgreichen Beschwerde mit den Verfahrenskosten belastet zu werden.

Der Streitwert im Fall einer Sachverständigenablehnung wird uneinheitlich gesehen. Teilweise bemisst die Rechtsprechung ihn auf ein Drittel des Wertes des zu Grunde liegenden Verfahrens.  Andere Entscheidungen setzen den Wert des Ablehnungsverfahrens demjenigen der Hauptsache gleich. 

(5)  Schlussbetrachtung

Arzthaftungsverfahren sind reine Gutachterverfahren. Anders als in anderen Rechtsgebieten ist der Richter mangels eigener Möglichkeiten, die medizinischen Spezialmaterien für sich zu verifizieren, in besonderem Maße auf Gutachten angewiesen. Sachverständigenmeinungen sind gelegentlich uneinheitlich; mit vorgelegten Parteigutachten setzen sich Gerichtssachverständige oftmals wenig auseinander. Insoweit sind sich gerichtlich bestellte Gutachter ihrer „stärkeren Stellung“ bewusst. Der Richter folgt nicht zuletzt aufgrund fehlender medizinischer Fachkenntnisse regelmäßig den Aussagen des Sachverständigen, soweit diese nur irgendwie schlüssig erscheinen. Im Rahmen eines Rechtsstreits gilt es daher für die Prozessvertreter stets zu hinterfragen, ob der richtige Sachverständige für den zu beurteilenden Sachverhalt ernannt ist, wie dieser sein Ergebnis ermittelt, ob seine Feststellungen fachmedizinisch gesichert sind, ob er seine Feststellungen und Schlussfolgerungen unparteiisch trifft, und ob er seinen Gutachterauftrag nicht überschreitet. Bei Verletzung der gutachterlichen Pflichten bleibt den Parteien als einzige Möglichkeit ihre Rechte prozessual zu wahren, die scharfe Waffe der Ablehnung.


Frankfurt, im Februar 2014 - Dr. Heinz / he